Ein Plan wird gestört

Folgender Fall ereignete sich Ende der 30er Jahre des letzten Jahrhunderts in Österreich. Ein junger Mann wollte Selbstmord begehen und warf sich von einer Brücke in die Donau. Ein Polizist, durch die aufgeregte Rufe der Zuschauermenge angelockt, eilte herbei. Er griff nach dem Gewehr und richtete es auf den Selbstmordkandidaten im Wasser: "Komm sofort heraus, oder ich schieße!" Der junge Mann kam ans Ufer und verzichtete auf den Selbstmord.

(nach G.Nardone (1994), a.a.O).



Die Flussüberquerung

Ein Wolf sah auf der anderen Seite eines Flüsschens einen appetitlichen Hasen. Er überlegte, ob das Wasser flach genug sei, um das Flüsschen zu überqueren. Da er die Wassertiefe nicht recht abschätzen konnte, fragte er den Hasen auf der anderen Seite.

Der Hase antwortete, dass es schon gelingen würde, das Flüsschen zu überqueren, denn sein Wasser sei überall flach und von geringer Tiefe. Der Wolf sprang daraufhin frohen Mutes und voller Erwartung in den Fluss und versank sofort in den Fluten. Mit großer Mühe rettete er sich wieder ans Ufer.

„Komisch", rief der Hase, "den Enten geht das Wasser nur bis zum Bauch!"

(nach Ortwin Meiss, MEI-Hamburg, abgewandelt von mir, F.M.)



Die Giraffe und die Unterführung

Es war einmal eine Giraffe. Sie wohnte gegenüber vom Bahnhof in einer netten Wohnung und mußte jeden Tag mit dem Zug zur Arbeit fahren. Es gab zwei Wege zum Bahnhof: rechtsherum über den beschrankten Bahnübergang - das war der lange Weg. Oder linksherum zur Unterführung - ein kurzer Weg. Leider war sie zu groß für die Unterführung und mußte daher immer den langen Weg über den Bahnübergang nehmen. Das war natürlich sehr beschwerlich und kostete sie immer viel Energie und Zeit, die sie lieber anders genutzt hätte. Daher wurde es ihr eines Tages zu bunt, und sie entschloss sich, in der Stadt eine andere Wohnung zu suchen.

Leider hatte sie wenig Glück, denn aufgrund ihrer Größe gab es wenig Auswahl an schönen Wohnungen, oder aber die Zimmer waren viel zu teuer. So wurde sie immer trauriger und fast ein bisschen hoffnungslos und depressiv. Wie sollte es bloß weitergehen?

Eines Tages ging sie wieder deprimiert und hoffnungslos aus dem Haus und schlug aufgrund ihrer Traurigkeit versehentlich den falschen Weg ein und ging Richtung Unterführung. Aber – welche Überraschung! Dieses Mal passte sie durch die Unterführung, da sie den Kopf so tief hängen ließ. Als sie plötzlich wahrnahm, dass sie durch die Unterführung passte, wurde es ihr ganz leicht ums Herz zumute. So einfach lösten sich ihre Probleme: Sie konnte in ihrer hübschen Wohnung bleiben, brauchte jetzt nicht mehr umzuziehen und war damit alle Sorgen los.

(Dr. Elmar Hatzelmann im hypnoblog von Stefan Hammel, Kaiserslautern)



Die Todesliste

Im Wald geht das Gerücht, der Bär habe eine Todesliste. Alles zittert und bangt, jeder fragt sich, ob was dran ist an der Geschichte. Schliesslich geht der Hirsch, angespannt und verunsichert bis zum letzten, zum Bären und fragt ihn:

„Bär?“

„Ja“, antwortet der Bär, „was gibt es?“

Der Hirsch reisst sich zusammen und fragt:

„Gibt es eine Todesliste?“

Der Bär guckt ihn ruhig an und antwortet: „Ja“.

Der Hirsch beginnt zu zittern, vergisst zu atmen und drückt schliesslich heraus:

„Stehe ich auch darauf?“

„Ja“, antwortet der Bär.

Zwei Tage später wird der Hirsch tot aufgefunden. Im Wald ist nun die Hölle los. Panik greift um sich. Die Vögel werden leiser, die Tiere überlegen sich, auszuwandern. Da nimmt der Keiler allen seinen Mut zusammen, fasst sich ein Herz und geht zum Bär.

„Bär?“

„Ja“, antwortet der Bär, „was willst du?“

Der Keiler atmet tief durch und presst dann die Worte heraus:

„Gibt es eine Todesliste?“

Der Bär schaut etwas gelangweilt vor sich hin und brummt: „Ja“.

Der Keiler erstarrt, scharrt mit den Füssen und fragt mit ersterbender Stimme:

„Stehe ich auch darauf?“

„Ja“, sagt der Bär.

Zwei Tage später wird der Keiler tot aufgefunden. Die Tiere sind nicht mehr zu halten. Einige packen bereits, andere lassen ihr Hab und Gut kurz entschlossen zurück. Hauptsache weg. Andere beginnen Tag und Nacht zu beten, denn das Ende ist nah. Nur der Hase denkt sich, schlimmer kann es nicht mehr kommen und hoppelt zum Bär.

„Bär?“

„Ja“, antwortet der Bär, „was denn?“

„Ich weiss, dass es eine Todesliste gibt, nicht wahr?“ sagt der Hase.

„Das ist richtig“, sagt der Bär, während er sich putzt.

„Stehe ich auch darauf?“, fragt der Hase, während er ihm beim Putzen zuschaut.

„Ja“, sagt der Bär.

„Gut“, sagt der Hase und überlegt sich, wie lange der Bär wohl zum Putzen so am Tag brauchen mag. „Gut, Bär“, sag mal, „kannst du mich von der Liste streichen?“

Der Bär putzt sich weiter und brummt dabei: „Ja, sicher, kein Problem“.

(unbekannte Quelle, abgewandelt von mir, F.M.)



Wahre Liebe

Einst verliebte sich ein Frosch in eine Maus und auch die Maus fand an dem Frosch Gefallen und erwiderte seine Liebe. Beide hatten sehr verschiedene Arten zu leben und hatten sich viel zu erzählen. Des Abends wenn sie zusammensaßen, erzählte der Frosch von seinem tiefen Teich und all den Dingen, die es darin zu sehen und zu finden gab. Er erzählte von den Fischen und dem alten Seehecht, der auf dem Grund des Teiches lebte und all den Gefahren, die er schon durchgestanden hatte.

Die Maus liebte diese Geschichten und fand sie faszinierend und spannend. Sie konnte ihm einfach stundenlang zuhören. Sie erzählte ihrerseits davon, wie man gefräßigen Katzen entkommt, wie man Vorräte für den Winter zusammensammelt, und wie man tiefe Gänge in die Erde gräbt, und das es gut ist, immer einen zusätzlichen Gang zu graben, falls der Hauptgang einmal verschüttet ist, oder gerade ein bedrohlicher Feind davor wartet. Manchmal ist es einfach gut, wenn man durch einen Hinterausgang verschwinden kann.

Wie sie so erzählten, kam der Frosch auf den Gedanken, die Maus könne ihm einmal durch den Hinterausgang entschwinden, und da er sie doch so sehr liebte, begann er zunehmend unruhiger zu werden. Dies merkte die Maus und fragte den Frosch, was ihn beunruhige. Der Frosch mochte nicht so recht erklären, was ihn so unruhig machte und sprach schließlich: "Weißt Du, manchmal bekomme ich Angst, wir könnten uns verlieren, und ich liebe Dich doch so!" "Ach diese Angst habe ich auch manchmal," sprach da die Maus, denn sie fürchtete, der Frosch könne ihr irgendwann entspringen und auf nimmer Wiedersehen in den tiefen Teich abtauchen.

"Aber wir könnten doch unsere Hände zusammenbinden, dann könnten wir uns nie verlieren", sprach der Frosch und der Maus war es nur recht, und so banden sie ihre Hände zusammen, die Maus die rechte und der Frosch die linke. Nun fühlten sie sich schon wesentlich sicherer, nur zusammen zu gehen machte nun einige Probleme. So wollte der Frosch oft hüpfen und hatte Schwierigkeiten mit den kleinen Schritten der Maus, die ihrerseits durch den unregelmäßigen Gang des Frosches immer wieder aus ihrem Rhythmus kam und ins Stolpern geriet. Auch konnte die Maus nicht mehr in ihre Gänge schlüpfen, denn der Frosch war zu ungelenk, um sich durch die schmalen Gänge zu zwängen und war es ihm doch einmal gelungen, so stieß er fortwährend mit seinem Kopf an, da er das Hüpfen einfach nicht lassen konnte.

Die Maus hielt das Hüpfen für eine schlechte Angewohnheit und meinte, daß es dem Frosch schon gelingen könne, anständig zu laufen. Er müsse nur ernsthaft den Willen haben, das Hüpfen aufzugeben, denn wo ein Wille sei, da sei auch ein Weg. Und sie erzählte ihm, wie schwer es manchmal gewesen sei, sich durch harten Boden einen Gang zu graben und das man, wenn man nur will, mit den scharfen Mausezähnen, die härtesten Dinge durchknabbern kann, und der Frosch versprach es wirklich ernsthaft zu versuchen. "Ja," sprach die Maus, "es ist wirklich schwierig in der Liebe, doch wenn man sich wirklich liebt, arbeitet man aneinander und versucht dem anderen zu helfen, damit er sich weiterentwickeln und seine schlechten Eigenschaften abstreifen kann."

Der Frosch wiederum versuchte die Maus zu überzeugen, daß es ein Genuß sei, mit einem hohen Bogen in den Teich zu springen und durch die tiefen Fluten hinab zum Grund zu tauchen, um dort in alte weggeworfene Lederstiefel zu schlüpfen und die Fische an sich vorbeischwimmen zu lassen, doch die Maus hatte Angst vor dem Wasser. Der Frosch aber war der Ansicht: Wenn man nur wirklich bereit sei, die Angst zu überwinden, würde es schon klappen, denn aller Anfang sei schwer. Doch die Maus war nicht bereit ihre Angst zu überwinden. Dies alles tat ihrer Liebe jedoch keinen Abbruch, und sie liebten sich weiterhin inniglich. Nach einer Weile sprach jedoch die Maus: "Weißt Du ich kann Deine rechte Hand nicht sehen." Und in der Liebe sollte man sich doch alles sagen und ganz offen zueinander sein, und da sei es doch nicht in Ordnung, wenn man bestimmte Dinge voreinander versteckt. Der Frosch fand dies auch, denn in der Liebe möchte man an allem teilhaben und alles, alles wissen, was der andere tut, und so banden sie die anderen Hände auch noch zusammen.

Das Gehen wurde natürlich noch beschwerlicher, aber wo wahre Liebe ist, erträgt man jegliche Unannehmlichkeiten, denn jede Schwierigkeit schmiedet einen nur fester zusammen. Das Leben wurde ein wenig eintöniger, denn der Frosch konnte nicht mehr von seinen neuen Erlebnissen im See erzählen und die Maus wußte auch nichts neues zu berichten, da sie nun alles zusammen machten. So erzählte der Frosch von früheren Zeiten, wo er noch im See umhergeschwommen ist, doch nach einer Weile kannte die Maus alle Geschichten und wurde zunehmend ungehalten, wenn der Frosch schon wieder mit seinen alten Seeerlebnissen anfing.

Doch auch die Maus konnte nur noch von Dingen berichten, die sie früher erlebt hatte, und meist kannte der Frosch die Geschichte schon und hörte gar nicht mehr richtig zu. "Nie hörst du mir zu, du beachtest mich überhaupt nicht mehr," beschwerte sich die Maus, denn wenn man sich wirklich liebt, schenkt man dem anderen alle Aufmerksamkeit. "Ach," sprach der Frosch, "es liegt wohl daran, daß ich in der letzten Zeit, so müde bin, es ist bestimmt das Wetter, es hat wirklich nichts mit Dir zu tun." Doch die Maus meinte: Wenn man jemanden wirklich liebt, hört man ihm auch zu, wenn man müde ist.

Obwohl sie sich nichts mehr zu erzählen hatten, liebten sie sich immer noch und die Maus meinte, daß wahre Liebe ist, wenn man zusammen schweigen kann und sich Verliebte auch ohne Worte verstehen, und der Frosch fügte hinzu: Gerade ohne Worte, denn Reden ist Silber und Schweigen ist Gold. Doch bei aller Liebe und allem Bemühen wollte dem Frosch der gleichmäßige Gang nicht gelingen, und wer sich wirklich liebt, macht doch alles gemeinsam.

Und da die Maus nicht aufhören wollte, das beständige Gehüpfe des Frosches zu bemängeln, denn sie wollte nur das Beste für den Frosch, und er andererseits ihr es doch wirklich recht machen wollte, denn wenn man jemanden liebt, möchte man dem anderen jeden Gefallen tun, kam der Frosch auf die Idee: "Wir könnten, doch auch eins unserer Beine zusammenbinden, dann können wir noch besser alles zusammen machen, und ist es in der Liebe nicht so, daß man alles gemeinsam tun will?" Gesagt getan und wie der Frosch es im Geheimen vermutet hatte, hatte es nun mit dem Hüpfen ein Ende.

Zwar kamen beide nun nur noch unter großen Mühen und sehr langsam voran, aber sie wußten nun, daß sie richtig zusammengehörten und was ist schöner in der Liebe, als zu wissen, daß man wirklich zusammen gehört.

"Laß uns das andere Bein auch noch zusammenbinden" sprach da die Maus. "Meinst Du wirklich wir sollten das tun?" fragte der Frosch, denn er war nicht mehr sicher, daß sie das Richtige taten. "Du liebst mich doch?" fragte die Maus. "Ja, ja natürlich" sagte der Frosch und sie banden die anderen Beine auch noch zusammen, und was ist schöner an der Liebe, als wenn man unzertrennlich ist. Aber das war nicht gut, denn nun konnten sie sich gar nicht mehr bewegen.

So verharrten sie starr und unbeweglich, und auch ihre heiße Liebe schien allmählich abzukühlen. Ja sie führten ein wahrhaft erbärmliches Leben, bis sie schließlich starben, und das war schon bald, denn als der eine starb, starb auch der andere. "Ja, ja", sagte der alte Waldbär, - und da hatte er verdammt recht.

(Ortwin Meiss, MEI-Hamburg)



Frank Mutterlose
Psychologischer Psychotherapeut
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